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Abgeltung des Ersatzurlaubs

Das Arbeitsrecht kennt eine finanzielle Abgeltung des nicht genommenen Urlaubs nur im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, vgl. § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Ansonsten soll Urlaub stets gewährt werden, weil er der Erholung des Arbeitnehmers und nicht seinem wirtschaftlichen Fortkommen diene. Eine findige Arbeitnehmerin wollte von dieser Regel eine Ausnahme erstreiten, weil ihr nach ihrer Meinung ein Anspruch auf Ersatzurlaub zustand, den sie gerne in Geld abgegolten gehabt hätte.

Ein Ersatzurlaubsanspruch entsteht unter der Voraussetzung, dass vertraglich oder gesetzlich zustehender Urlaub aufgrund arbeitgeberseitiger Weisung nicht genommen werden konnte und deswegen verfallen ist. Gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG muss Urlaub nämlich im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Nicht genommener Urlaub wird nur bei dringenden betrieblichen oder persönlichen Gründen auf das nächste Jahr übertragen. Liegen solche Gründe nicht vor, verfällt der Urlaub zum Jahresende. Dasselbe gilt im Falle einer vertraglich oder tariflich vereinbarten Übertragung auf das Folgejahr, wenn der übertragene Urlaub nicht spätestens bis Ende März des Folgejahres genommen wird. Wenn nun der Arbeitgeber trotz rechtzeitigem Antrag des Arbeitnehmers rechtswidrig die Urlaubsgewährung verweigert, entsteht ein Schadenersatzanspruch auf Ersatzurlaub nach §§ 275, 280, 281 und 249 Abs.1 BGB.

Eigentlich ist der Ersatzurlaubsanspruch, wie der eigentliche Urlaubsanspruch, durch bezahlte Freistellung zu gewähren, weil hier der Grundsatz der sog. Naturalrestitution, also der Ersatz in identischer Natur, greift. Allerdings richtet sich der Ersatzanspruch als Schadenersatz nach dem BGB und nicht nach dem BUrlG. Das bedeutet, dass auch eine Entschädigung in Geld möglich sein könnte, da das BGB bei einem Schadenersatzanspruch neben der Entschädigung in Natur (also durch Urlaub) auch in Geld ermöglicht, § 251 BGB. Hier könnte man damit argumentieren, dass dem Arbeitnehmer nicht zuzumuten ist, länger auf seinen Urlaubsanspruch zuwarten zu müssen und ihm deswegen eine Geldentschädigung in Gestalt einer Abgeltung zusteht.

Das Bundesarbeitsgericht hat hier eindeutig mit Urteil vom 16.05.2017, Az.: 9 AZR 572/16, zugunsten des Vorrangs des BUrlG entschieden. Auch ein Ersatzurlaubsanspruch ist, solange das Arbeitsverhältnis fortbesteht, durch bezahlte Freistellung zu gewähren und nicht in Geld. Nur wenn das aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich ist, ist der Ersatzurlaubsanspruch abzugelten. Denn der Ersatzurlaubsanspruch ist darauf gerichtet, den untergegangenen Urlaubsanspruch (als Anspruch auf bezahlte Freistellung) fortbestehen zu lassen, und zwar „unter den Bedingungen des BUrlG“, so die Richter im Urteil. Das wiederum hat nach Meinung des BAG zur Folge, dass der Ersatzurlaubsanspruch „den Modalitäten des verfallenen Urlaubsanspruchs unterliegt“, mit Ausnahme allerdings der Bindung an das Kalenderjahr bzw. das erste Quartal des Folgejahres, d.h. die Fristen des § 7 Abs.3 BUrlG gelten nicht. Das bedeutet, dass der Ersatzanspruch nicht mehr verfallen kann und in Natur zu gewähren ist.

Hierzu wird in der Literatur kritisch angemerkt, dass der Anspruch auf Ersatzurlaub zu allermeist in den Fällen entsteht, wo regulär kein Urlaub mehr gewährt würde. Die Haltung der Bundesrichter ist vor diesem Hintergrund nicht ganz nachzuvollziehen, da sich der Arbeitnehmer dann den Anspruch auch nicht „abkaufen“ ließe, wenn man ihm eine vorgezogene Abgeltung in Form eines Ersatzanspruchs in Geld zubilligen würde. Der Grundgedanke, dass Urlaub grundsätzlich zu nehmen sei und dem Arbeitnehmer stets in Natur gewährt werden solle, würde gerade dann, wenn es schon zu einem Schadenersatzanspruch kommt, nicht mehr verfangen. Dennoch. Nach dem BAG ist auch ein Ersatzurlaubsanspruch primär als bezahlte Freistellung zu gewähren.

Martin Becker
Rechtsanwalt und Mediator, Winfried Becker & Partner, Lemgo